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Emotionen und Imaginationen

Israelbilder in Österreich von der Staatsgründung 1948 bis zum Libanonkrieg 2006

Von Helga Embacher*

Kritik an Israel ist und muss legitim sein. Die Grenzen zwischen legitimer Israelkritik und Antisemitismus sind aber nicht immer leicht auszumachen. Trotz der seit den 1980er-Jahren in Deutschland und auch in Österreich intensiv geführten Diskussionen über die Problematik von Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik, basieren, wie ich hier am Beispiel der Nahostkriege von 1948 und 1967, der Waldheim-Affäre und des Libanonkriegs von 2006 ausführen möchte, Israelbilder wenig auf konkretem Wissen über den Nahostkonflikt, sondern vielmehr auf Emotionen und Projektionen. Im Medienzeitalter darf zum einen die Macht der Bilder nicht unterschätzt werden, zum anderen muss in der Wahrnehmung der Kriege im Nahen Osten auch noch immer dem Nachwirken von Geschichte und somit dem Bedürfnis der Entlastung von historischen Schuldgefühlen Bedeutung beigemessen werden.

„Wen interessiert schon Israel?“

Am 14. Mai 1948 wurde der Staat Israel, in dem auch mehrere Tausend vertriebene österreichische Juden Zuflucht gefunden hatten, ausgerufen. Während heute dem Nahostkonflikt medial überproportional große Bedeutung zukommt, blieben die Gründung des Staates Israel und die frühen Jahre seiner Existenz im Nachkriegsösterreich weitgehend unbeachtet. „Israel ist von Österreich und seinem Vizekanzler aus gesehen weltpolitisch Provinz, mit der man beschäftigte Leute nicht belästigen sollte“, schrieb Karl Hartl, der erste österreichische Generalskonsul, 1952 an Vizekanzler Schärf.

Von der österreichischen Öffentlichkeit wenig beachtet, nahmen Österreich und Israel jedoch bereits 1950 erste diplomatische Beziehungen auf. Offensichtlich aus realpolitischen Interessen anerkannte Israel in Anlehnung an die Position der westlichen Alliierten die Moskauer Deklaration und ließ Österreich im Vergleich zur BRD insgesamt eine wesentlich nachsichtigere Behandlung zukommen. Nachdem Österreich Israel einen Kredit von hundert Millionen USD gewährt hatte, verzichtete der israelische Außenminister Moshe Sharett 1952 auf weitere „Wiedergutmachungsforderungen“.

Diese Verzichtserklärung schwächte nachhaltig die Position des Claims Committee, das ab 1953 die zähen „Wiedergutmachungsverhandlungen“ mit der österreichischen Bundesregierung führte. Dennoch befürchteten führende Politiker, dass allein Israels Existenz Österreichs Rolle als Mittäter in Erinnerung rufen und somit die Opferrolle gefährden könnte. Oder wie es der Diplomat Hartl ausdrückte: „Wen interessiert schon Israel, wenn es nicht gerade schreit, die Österreicher seien Nazis.“ Seine Rolle als österreichischer Generalkonsul in Tel Aviv verstand er als „Feuerwehrposten, der aufzupassen hat, dass es nicht zu brennen beginnt“.

Die Ambivalenz der österreichisch-israelischen Beziehungen kam auch in der Berichterstattung der israelischen Medien zum Ausdruck, die im Gegensatz zur offiziellen israelischen Politik Österreichs Mitbeteiligung am Nationalsozialismus und dessen lange antisemitische Tradition besonders hervorhoben.

Von den österreichischen Medien wiederum wurde der Krieg in Palästina 1948 je nach politischem Standort und primär im Kontext des Kalten Kriegs wahrgenommen. Dem klassischen Imperialismusmodell entsprechend, stilisierte die kommunistische „Volksstimme“ die Sowjetunion während des Kriegs von 1948 zur friedliebenden Weltmacht, die sie den eindeutigen Aggressoren USA und England gegenüberstellte. Während die USA ein Doppelspiel verfolgten - einerseits den Interessen der amerikanischen Erdölmonopole, andererseits auch dem Druck jüdischer Wähler in den USA nachgebend -, trage die Sowjetunion sowohl den Interessen der Araber als auch der Juden Rechnung und respektiere das Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Auch das ÖVP-Organ „Wiener Tageszeitung“ spielte auf den Einfluss der _ damals politisch noch wenig einflussreichen _ jüdischen Minderheit in den USA an, indem es vom „Weltjudentum“ sprach, „das praktisch unbegrenzte Kapitalunterstützungen aus dem Ausland als Folge ihrer engen und guten internationalen Verbindungen“ erhalte.

Das „Neue Österreich“ wiederum interpretierte den Krieg als „Kampf der Kulturen“, geführt von den zivilisierten, hoch gebildeten Juden, einer „Vorhut europäischer Zivilisation“, gegen „stumpfe, aggressive, halbzivilisierte Volksstämme“. Durch einen „glücklichen Zufall“ habe „nicht nur das stärkere Schwert, sondern auch die stärkere Kultur die Oberhand gewonnen“.

Das Besondere an der Berichterstattung des „Neuen Österreich“ lag darin, dass der Krieg als Fortsetzung der Judenvernichtung (dieses Mal mit „den Arabern“ als Akteuren) interpretiert wurde, eine Position, die erst 1967 zu einer allgemeinen Sicht des Sechstageskrieges werden sollte. Demnach hätten die „schwarzgelockten Wüstensöhne nichts anderes im Sinn, als was ihnen blonde Arier in Mitteleuropa vorgemacht haben: räuberische Bereicherung“.

Zu den wenigen Österreichern, die Israel in seinen Anfangsjahren bereisten, zählten vor allem katholische Pilger, die Israel primär als das „Heilige Land“ wahrnahmen. Kardinal Franz König wunderte sich beispielsweise später darüber, dass er als einer der frühen Pilger Israel nur als das Heilige Land wahrgenommen habe und „die Judenverfolgung nur etappenweise in seine Welt eingedrungen sei“.

Israelbegeisterung im Sechstagekrieg

In Österreich rückte Israel 1967 erstmals ins Blickfeld einer breiten Öffentlichkeit. Der unerwartete Sieg des „kleinen David“ gegen den als übermächtig erachteten „Goliath“ löste in Israel einen wahren Siegestaumel aus und stieß in der gesamten westlichen Welt weitgehend auf Zustimmung und Begeisterung.

Spendenaufrufe und Solidaritätskundgebungen zeugten in Österreich von einer großen Solidarität mit dem Judenstaat. Abgesehen von der kommunistischen „Volksstimme“ erfolgte die Berichterstattung in der damals sehr stark parteigebundenen österreichischen Tagespresse ausschließlich aus israelischer Perspektive.

Die „Kronen Zeitung“, damals bereits auflagenstärkste Tagezeitung des Landes, sandte eine Woche vor Kriegsbeginn den Journalisten Ernst Trost als Sonderberichterstatter nach Israel, der dann bei einer Straßensperre verwundet wurde. In seinen Berichten identifizierte er sich fortan mit der israelischen Armee, die mitunter zum „Wir“ wurde. Sein bereits im Juli 1967 im Fritz-Molden-Verlag erschienenes Buch „David und Goliath. Die Schlacht um Israel 1967“ gilt als die erste deutschsprachige Publikation zum Sechstagekrieg. Bis 1972 wurden 45.000 Hardcover- und 100.000 Paperbackausgaben verkauft.

Ingesamt fällt auf, dass der Sechstagekrieg in weiten Kreisen als Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs und die aktuelle Bedrohung Israels als ein vom „neuen Hitler“ Nasser geleiteter „arabischer Vernichtungsfeldzug“ interpretiert wurde. Der Problematik der palästinensischen Flüchtlinge kam kaum Aufmerksamkeit zu. Wirft man einen kritischen Blick auf die 1967 kolportierten Juden- und Israelbilder, so wird ein eurozentristischer und auch rassistischer Blick deutlich.

Das israelische Volk wurde als europäisch geprägte Elite, hoch zivilisiert, vaterlandsliebend, tapfer, fleißig, sauber und äußerst sensibel gezeichnet und „den Arabern“ - ein den Europäern höchst fremdes Volk, hasserfüllt, unzivilisiert, korrupt, feig, rachsüchtig und emotional unkontrolliert - gegenübergestellt.

Aus dem heimatlosen Juden Ahasver wurde der vorbildliche israelische Patriot und sensible, tapfere Soldat, der nunmehr einem arabischen Holocaust ausgesetzt war. Als äußerst bedenklich erwies sich die nicht nur in Österreich vor allem in militärischen Kreisen weit verbreitete Begeisterung für die israelische Armee, die eine „Musterdemonstration stählernen Soldatentums“ gezeigt habe.

August Segur-Cabanac, Oberstleutnant des Generalstabs des Österreichischen Bundesheers, verglich beispielsweise den „Polenfeldzug“ von 1939 mit dem Sechstagekrieg. Israel habe von der Deutschen Wehrmacht, die in Polen den „ersten modernen Blitzkrieg in der Geschichte geführt“ und damit zu einer „Revolutionierung der Kriegsführung“ beigetragen habe, gelernt.

Seine Kriegsleistungen hätten seiner Meinung nach „an die Beispiele des Zweiten Weltkrieges“ herangereicht. Offensichtlich identifizierten sich selbst zwanzig Jahre nach Ende des Kriegs auch führende Vertreter des österreichischen Bundesheers mit der Deutschen Wehrmacht, die durch den Vergleich mit der israelischen Armee vom Vorwurf der verbrecherischen Kriegsführung entlastet werden sollte.

Die ideelle und politische Unterstützung für Israel hatte zum einen realpolitische Gründe (Westbindung, Antikommunismus), zeugte aber auch von einem unterschiedlich motivierten Identifikationsbedürfnis: Während Linke in den Kibbuzim ein sozialistisches Gesellschaftsmodell verwirklicht sahen, mit dem sie in ihrem eigenen Land scheiterten, bewunderten konservative Kreise und auch ehemalige Nationalsozialisten den Patriotismus, die Tapferkeit und militärische Stärke der zahlenmäßig kleinen israelischen Armee.

Die bedingungslose Solidarisierung und Identifikation mit Israel, das man sich als europäisch geprägtes Land vorstellte, bot auch Gelegenheit zur Entlastung der in Österreich selten ausgesprochenen, aber durchaus vorhandenen Schuldgefühle gegenüber „den Juden“. Diese konnten auf die „bösen“ Araber abgewälzt werden, wobei gleichzeitig auch rassistische und kolonialistische Haltungen zum Ausdruck gebracht wurden.

Solcherart von historischer Schuld befreit, geriet die Parteinahme für Israel zu einer Art verspäteter „Wiedergutmachung“. In Österreich konnte zudem das Bemühen um eine Verstärkung der „Opferthese“ beobachtet werden, indem das „1938 von kommunistischen Nachbarn bedrohte Österreich“ dem 1967 von arabischen Staaten bedrohten Israel gleichgesetzt wurde. Ein Blick auf die österreichische Innenpolitik und den in den 1960er-Jahren stark vorhandenen Antisemitismus verdeutlicht jedoch, dass ein positives Israelbild keineswegs gegen Antisemitismus immunisierte.

Wie sich spätestens während der Libanoninvasion von 1982 zeigen sollte, kann sich ein idealisierendes Israelbild schnell in sein Gegenteil verkehren. Zeigte sich die deutsche und österreichische Linke zunächst vom Sozialismus à la Kibbuzim beeindruckt, so wurde der Palästinakonflikt nach 1967, wie Margit Reiter aufzeigte, in das Imperialismusschema eingeordnet, wonach auf der einen Seite Israel, als „Handlanger der USA“ und vielfach nur als „zionistisches Gebilde“ bezeichnet, auf der anderen die Palästinenser und die „arabische Masse“ als Opfer des Imperialismus standen.

Spätestens während der Libanoninvasion von 1982 zeichnete sich die parteiübergreifende und äußerst emotionale Kritik an Israel auch durch NS-Vergleiche (etwa „Endlösung der Palästinafrage“, „Sharon = Hitler“) aus.

Lagen der Parteinahme für Israel 1967 Schuldgefühle für den Holocaust zugrunde, so wurden diese jetzt gegen den jüdischen Staat ausgespielt, und zwar nach dem Motto: „Obwohl die Juden so viel gelitten hätten, seien sie jetzt nicht besser als die Nazis.“

Der Vorwurf, aus der NS-Verfolgung hinsichtlich der Behandlung der Palästinenser und derzeit der Libanesen nichts gelernt zu haben, findet sich bis heute in weiten Kreisen der Bevölkerung.

Von „guten“ und „bösen“ Juden

In den 1970er-Jahren führte Kreiskys Nahostpolitik, vor allem sein Bemühen, die PLO als gleichwertigen Verhandlungspartner in den Nahostkonflikt einzubinden und seine für viele grenzüberschreitende Kritik am damaligen Ministerpräsidenten Begin, zu einer Art Dauerkrise zwischen den beiden Staaten.

Nach Kreiskys Rücktritt 1983 erwartete man sich daher auf beiden Seiten eine Verbesserung der zwischenstaatlichen Beziehungen - eine Hoffnung, die durch die „Waldheim-Affäre“ wieder zunichte gemacht wurde. Israel zeigte zuerst nur wenig Interesse an Kurt Waldheim, dem 1986 von der ÖVP aufgestellten Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl, vielmehr entstand der Eindruck, als ob Israel sich vom World Jewish Congress (WJC) in die Sache hineinziehen habe lassen.

Israel, das lange Zeit die Darstellung Österreichs als „erstes Opfer“ mitgetragen und 1971 auch Waldheims Wahl zum Generalsekretär der UNO akzeptiert hatte, sah sich nunmehr auch gezwungen, seine bisherige Außenpolitik zu hinterfragen. Als politische Maßnahme stufte Israel seinen Botschafter im Oktober 1986 zum Geschäftsträger herab, Österreich antwortete mit einer Herabstufung seiner Botschaft in Tel Aviv.

In Österreich richtete sich der massiv an die Oberfläche gedrungene Antisemitismus primär gegen den „Vorreiter“ WJC, eine Organisation, die den Österreichern bisher völlig unbekannt gewesen war und entgegen den in Österreich verbreiteten Ängsten vor einer „jüdischen Weltverschwörung“ insgesamt über wenig politischen Einfluss verfügte.

Israels anfängliche Zurückhaltung erlaubte es auch, dass der WJC als Repräsentant der „reichen, amerikanischen Juden“ und als Zentrum der „jüdischen Weltverschwörung“ gegen den jüdischen Staat ausgespielt wurde. Kurt Seinitz lobte in der „Neuen Kronen Zeitung“ vom 15. März 1986 die NS-Berichterstattung in israelischen Medien, die er der „unsachlichen Hysterie“ jüdischer Journalisten und Politiker entgegenhielt.

Die Waldheim-Kritik des WJC führte er auf die Schuldgefühle amerikanischer Juden zurück, die ein bequemes Leben in den USA den Aufbauleistungen für einen jüdischen Staat vorgezogen hätten. Kolumnist Richard Nimmerrichter („Staberl“) _ er galt als langjähriger Israelfreund, der mit einigen israelischen Diplomaten in Wien auch persönlich befreundet war - ging in der nämlichen Zeitung sogar noch einen Schritt weiter, indem er Israel und Österreich zum Opfer des WJC stilisierte.

Seiner Meinung nach habe bereits Nahum Goldmann, der erste Präsident des WJC, Israel durch seine „Packeleien mit den arabischen Todfeinden des jungen Judenstaates“ Schwierigkeiten bereitet. Daraus zog er den gewagten Schluss, dass sich Österreich aufgrund der Angriffe des WJC in einer ähnlichen Situation befinde wie das wegen „seiner eindrucksvollen Leistungen bewunderte Israel“. Aufgrund dieses gemeinsamen Opferstatus sei, wie Nimmerrichter meinte, jede Kritik des „Herrn Singer vom WJC“ bedeutungslos geworden.

Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass Israel zu Beginn der Waldheim-Affäre als eine Art „Renommierjude“ fungierte und zur Abwehr jüdischer Kritik aus den USA instrumentalisiert wurde. Es wurde zudem deutlich, dass ein positives Israelbild sich schnell ein sein Gegenteil verkehren konnte, sobald der Staat Israel oder einzelne Juden den österreichischen Erwartungen nicht mehr entsprachen.

Die Herabstufung der diplomatischen Beziehungen im Oktober 1986 - für führende österreichische Politiker ein Affront - sowie kritische Äußerungen israelischer Politiker führten allmählich zu einem negativen Israelbild. Maßlos enttäuscht von Israels Verhalten, das er als persönliche Schmach auffasste, kündigte beispielsweise Kolumnist Nimmerrichter Israel seine langjährige emotionale und selbst während der Libanoninvasion 1982 kritiklose Freundschaft.

Wie er in einem Interview ausführte, sei er von der Entwicklung des Landes insgesamt enttäuscht, da diesem der europäische Charakter verloren gegangen sei. Er vermisse nunmehr die deutsche Sprache und den jüdischen Humor, das ganze Land „verorientalisiere“ sich. Fortan wollte er Israel nicht mehr besuchen, denn da könne er „gleich nach Damaskus gehen“. (Hier werden auch seine antiarabischen Ressentiments vernehmlich, die er in seiner Berichterstattung in der „Kronen Zeitung“ als „Israelfreund“ wiederholt zum Ausdruck gebracht hatte.)

Zunehmend wurden Juden und Israelis auch in einen Topf geworfen. Waldheim selbst versuchte noch 1996 anlässlich des Erscheinens seines Buches „Die Antwort“, Kritik an seiner Person abzuwehren, indem er sich aufgrund seiner proarabischen Nahostpolitik als UNO-Generalsekretär zum Opfer eines „weltweiten Netzes“ stilisierte. Seinen Einschätzungen nach würden „die Juden“ die USA regieren und die „allmächtige israelische Lobby“ großen Einfluss auf den WJC ausüben.

Libanon 2006: „Terrorstaat Israel“

Mit dem Abgang von Kurt Waldheim war der Weg offen für eine Annäherung an Israel, beide Staaten werteten ihre diplomatischen Vertretungen wieder zu Botschaften auf. Diese Normalisierung erwies sich allerdings erneut als fragil und brüchig. Israelische Medien beobachteten mit großer Skepsis den rasanten Aufstieg der FPÖ unter Jörg Haider.

Als Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) 2000 die FPÖ an der Regierung beteiligte, zog Israel aus Protest bis 2003 seinen Botschafter aus Wien ab. Wie dann während des Libanonkriegs 2006 deutlich wurde, können Haider, mittlerweile BZÖ, und auch führende FPÖ-Politiker diesen „Affront“ bis heute nicht überwinden. Obwohl sich beide Parteien durch Islamophobie auszeichnen, ergriffen sie, einer bereits länger zu beobachtenden Haltung entsprechend, für die Hisbollah und Hamas Partei, indem sie Israel als „Terror-“ und „Verbrecherstaat“ abwerteten.

Der stellvertretende FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer forderte als Reaktion auf den seiner Ansicht nach „gezielt durchgeführten und geplanten Angriff“ auf den UNO-Posten, bei dem ein österreichischer Soldat getötet worden war, die Aussetzung der diplomatischen Beziehungen mit Israel.

Er argumentierte, Israel habe ja auch aus Protest gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ 2000 seinen Botschafter abzogen. Der steirische FPÖ-Chef Gerhard Kurzmann wiederum forderte vom „Judenstaat“, dass dieser endlich erkennen müsse, „dass sich die zivilisierte Staatengemeinschaft von Staatsterroristen nicht länger auf der Nase herumtanzen“ lasse; für seinen Parteikollegen Gerald Grosz war „dieser Terrorkrieg durch kein menschliches Argument zu rechtfertigen“, wobei er sich allerdings nicht auf den Terror der Hisbollah bezog.

Der Neunkirchner FPÖ-Gemeinderat Dietmar Gerhartl strapazierte - interessanterweise in einem Leserbrief auf der Website der Palästina-Plattform Österreich - erneut einen NS-Vergleich, indem er Israelis, für ihn „Massenmörder mit dem Judenstern“, vorwarf, wie Nationalsozialisten zu handeln, jedoch für ihre Taten ungestraft zu bleiben: „Es heißt: ‚Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.‘ Israel war jedenfalls sein Vorzugsschüler.“

Im Vorfeld der im Oktober 2006 stattfindenden Nationalratswahlen versuchte auch Jörg Haider mit der Forderung, den israelischen Botschafter Dan Ashbel auszuweisen, zu punkten. Seine Forderung rechtfertigte er damit, dass der Diplomat die Toten in Kana als „Plus im PR-Krieg“ für die Hisbollah bezeichnet und keine Schuldgefühle für die zivilen Opfer gezeigt habe.

Im Libanonkrieg sah Haider offensichtlich auch eine neue Gelegenheit zu einer weiteren Abrechnung mit Ariel Muzicant, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, der seit Jahren öffentlich gegen die Ausländerfeindlichkeit der FPÖ auftritt und 2000 den Protest gegen die Regierungsbeteiligung der von vielen als rassistisch erachteten FPÖ unterstützte.

Nunmehr nahm Haider Muzicants proisraelische Haltung zum Anlass, um diesen, über jedes Maß einer legitimen Israelkritik hinausgehend, als „zionistischen Provokateur“ zu beschimpfen, der „Kritiker mit der Keule des Antisemitismus mundtot machen“ wolle. Sich des antijüdischen Vorurteils von der „alttestamentarischen Rache“ bedienend, unterstellte er Muzicant, mit „israelischen Kriegstreibern“ nach dem Motto „Auge um Auge, Zahn um Zahn, statt einer friedlichen Lösung ohne weitere Gewalt“ zu handeln.

Die vonseiten der FPÖ und des BZÖ gegen Israel und österreichische Juden vorgebrachten antisemitischen Stereotype sind nicht neu und finden sich, wie Margit Reiter in ihren Ausführungen über die Linke zeigt, nicht nur in politisch rechten Kreisen. Als interessant erweist sich allerdings, dass palästinensische und linke Gruppierungen sowie einzelne FPÖ-Politiker den innerhalb der jüdischen Gemeinden umstrittenen, antizionistisch-orthodoxen Rabbiner Moishe Arye Friedman von der Splittergruppe Naturei Karta für ihre jeweiligen Interessen zu instrumentalisieren versuchten.

So rechtfertigte der bereits zitierte Gemeinderat Gerhartl seine problematische Israelkritik damit, dass der „Österreichische (sic!) Oberrabiner der ultraorthodoxen Juden“ sich auch „absolut gegen das Handeln Israels ausspricht“.

Willi Langthaler von der für ihre israelfeindliche Haltung bekannten „Antiimperialistischen Koordination“ (AIK) wiederum lobte Friedman, da dieser sich in seiner vehementen Israelkritik von niemandem einschüchtern lasse.

Wilhelm Langthaler von der antisemitischen AIK

Sowohl die AIK als auch die Palästina-Plattform Österreich platzierten auf ihrer Website die Rede von „Oberrabbiner Friedman“, die dieser auf der „Friedensdemonstration“ am 28. Juli 2006 gehalten hatte und worin er der Hisbollah und deren Führer Sheikh Hassan Nasrallah „seine Hochachtung“ aussprach und zum „großartigen Erfolg“ gratulierte.

Abschließend forderte er die „vollständige Auflösung des Zionistischen Regimes“ und die „vollständige Befreiung von Ganz (sic!) Palästina und ein von Zionismus Befreites (sic!) Jerusalem. Amen.“

Als interessant erweist sich in diesem Zusammenhang, dass Vertreter der antizionistischen Naturei Karta zur selben Zeit auch in London, Brüssel, New York und Washington als Redner auf Demonstrationen aussprechen durften, wovor Nichtjuden offensichtlich noch zurückscheuen.

Anmerkungen

1 Wesentliche Teile des Beitrags basieren auf der von mir mit Margit Reiter gemeinsam verfassten Publikation „Gratwanderung. Die Beziehungen zwischen Österreich und Israel im Schatten der Vergangenheit“, Wien 1998.

2 Karl Hartl am 14.2.1952 an Adolf Schärf. Archive des Vereins für die Geschichte der Arbeiterbewegung (=VfGdA), Nachlass Schärf, Box 31.

3 Wien war als letzte Stadt hinter dem Eisernen Vorhang für Israel vor allem auch aufgrund der Tausenden Juden in Osteuropa von großem Interesse. Österreich selbst wurde nach Abschluss des Staatsvertrags und der damit erfolgten Aufnahme in die UNO für Israel zunehmend interessant. Die angestrebte Intensivierung der Beziehungen zu Österreich diente auch als „Versuchsballon“ für eine vorsichtige Annäherung an die BRD, die aufgrund der Isolation Israels im Nahen Osten und durch die NATO-Mitgliedschaft der BRD nicht mehr gänzlich ausgeschlossen wurde.

4 Zu den Verhandlungen vgl. Helga Embacher: Restitutionsverhandlungen mit Österreich aus der Sicht jüdischer Organisationen und der Israelitischen Kultusgemeinde (= Veröffentlichungen der österreichischen Historikerkommission, Bd. 27). Wien/München 2003.

5 Karl Hartl am 31.1.1952 an Vizekanzler Schärf.

6 Karl Hartl am 14.2.1952 an Adolf Schärf.

7 Volksstimme, 26.5.1948.

8 Wiener Tageszeitung, 28.4.1948.

9 Neues Österreich, 28.2.1949.

10 Neues Österreich, 29.4.1948.

11 Interview mit Kardinal Franz König (Wien 1995), geführt von Helga Embacher und Margit Reiter.

12 In „Weg und Ziel“ finden sich allerdings auch differenzierte Artikel.

13 Elisabeth Hindler: Die Entwicklung der Haltung österreichischer Zeitungen zu Israel. Diss. Wien 1977, S. 131_158.

14 Vgl. Die Presse, 13.6.1967.

15 Dazu vgl. Hilde Weiss: Die Beziehungen zwischen Juden- und Israelstereotypen in der antisemitischen und nicht-antisemitischen Einstellung. In: Adolf Holl (Hg.): Jahrbuch der österreichischen Gesellschaft für Soziologie. Wien 1975, S. 31_43.

16 Margit Reiter: Unter Antisemitismus-Verdacht. Die österreichische Linke und Israel nach der Shoah. Innsbruck/Wien/München/Bozen 2001.

17 Noch Mitte März 1986 bedankte sich Waldhein in einem „Spiegel“-Interview bei der israelischen Regierung für das „ihm gegenüber sehr korrekte Verhalten“ (vgl. Süddeutsche Zeitung, 14.4.1986).

18 Bernhard Cohen/Luc Rosenzweig: Der Waldheim Komplex. Wien 1987, S. 105.

19 Ruth Wodak u.a., (Hg.): „Wir sind alle unschuldige Täter“. Diskurshistorische Studien zum Nachkriegsantisemitismus. Frankfurt am Main 1990.

20 Siehe Embacher/Reiter (wie Anm. 1), S. 117 ff.

21 Neue Kronen Zeitung, 2.4.1986 und 27.3.1986.

22 Interview mit Richard Nimmerrichter, 1995 geführt von Helga Embacher und Margit Reiter.

23 Vgl. profil, 17.6.1996, S. 34.

24 Vgl. die dazu die in „Zur Zeit“ in den letzten Jahren abgedruckten Beiträge. Einzelne Vertreter von BZÖ und FPÖ sind auch in arabisch-österreichischen Freundschaftsgesellschaften aktiv.

25 Andreas Mölzer, FPÖ, kündigte beispielsweise an, aus Solidarität mit dem von Israel unterdrücktem palästinensischem Volk vor seinem Haus die Palästina-Fahne zu hissen, während er gleichzeitig der IKG vorwarf, sich als fünfte Kolonne missbrauchen zu lassen. Vgl. Presseaussendung der FPÖ und „Zur Zeit“ vom 31.Juli 2006.

26 Presseaussendung vom 26. Juli 2006.

27 Andreas Koller: Der Terror, die Menschen und die Juden. In: Salzburger Nachrichten, 7.8.2006, S. 1.

28 Leserbrief von Gemeinderat Dietmar Gerhartl aus Neunkirchen: „Der Terrorstaat Israel hat nun auch einen Österreicher feig ermordet.“ http://www.palaestinensische-gemeinde.at/lgerhartl.shtml, abgerufen am 4.8.2006.

29 „Kein Krieg gegen Libanon“. In: Der Standard, 2.8.2006.

30 Haider bezichtigte Muzicant im Wiener Wahlkampf 2001 in seiner Aschermittwochrede, „Dreck am Stecken“ zu haben, ohne dafür konkrete Gründe nennen zu können.

31 Haider: Muzicant ist „zionistischer Provokateur“. In: Die Presse, 6.8.2006.

32 Einzelne linke Splittergruppen (Anti-Imperialistische Koalition, Arbeiterstandpunkt) identifizierten sich mit der „Widerstandsorganisation“ Hisbollah und forderten den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Israel, für sie ein „Vorposten der USA, die Feinde der Menschheit“. Vgl. Rede des Arabischen Palästina-Clubs vom 5.8.2006, abgerufen am 7.8.2006, http://www.antiimperialista.org./index2.php?option=com_content&task=view&id=462

33 http://www.antiimperialista.org./index2.php?option=com_content&task=view&id=462, abgerufen am 7.8.2006.

34 http://www.palaestinensische-gemeinde.at/lgerhartl.shtml, abgerufen am 4.8.2006.

 

 

Autorin:

*Helga Embacher

Geboren 1959. A.o. Prof. am Fachbereich für Geschichts- und Politikwissenschaft an der Universität Salzburg. Publikationen: u.a. „Neubeginn ohne Illusionen. Juden in Österreich nach 1945“ (1995). Derzeit Leiterin des FWF-Forschungsprojekts: „(Neuer) Antisemitismus/Antiamerikanismus. Die Wahrnehmung von Israel und den USA in Deutschland, Frankreich und Großbritannien vom Beginn der Zweiten Intifada bis zur Gegenwart. Eine vergleichende Studie“. Gemeinsam mit dem Filmemacher Hannes Klein Produktion von „Wenn man lebt, erlebt man. Ari Rath, Israeli mit Wiener Wurzeln“ (engl.: A Life of Many Lives. Ari Rath – Israeli with Viennese Roots), 60 Min., German/English subtitles (2005).

Erstmals publiziert im Jüdidschen Echo 2006. Abdruck mit ausdrücklicher Genehmigung des Medieninhabers.