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„nur Schwarz und Weiss, Gut und Böse“

Die österreichische Linke und ihr problematisches Verhältnis zum jüdischen Staat

Von Margit Reiter*

Das Verhältnis der österreichischen Linken zu Israel war keineswegs immer einheitlich, sondern war und ist von sehr unterschiedlichen Positionen geprägt und hat sich im Laufe der Jahrzehnte wiederholt verändert.

Die SPÖ hat der Staatsgründung Israels 1948 noch wenig Beachtung geschenkt, zu sehr schien man wenige Jahre nach dem Krieg mit eigenen innenpolitischen Problemen beschäftigt zu sein. Erst zu Beginn der 1960er-Jahre entwickelte sich im Umfeld der SPÖ ein zunehmendes Interesse für den jungen Staat Israel.

Austrokanzler (1970-1983) Bruno Kreisky

mit Golda Meir anno 1973.

Das linke pro-israelische Engagement war in erster Linie durch die Bewunderung und Begeisterung für die Realisierung sozialistischer Ideale in Israel, wie etwa die Kibbuzim oder die Histadrut, motiviert. Viele Sozialdemokraten engagierten sich jahrzehntelang in der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft (ÖIG) und im Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und haben in diesem Rahmen kontinuierliche Kontakte zu Israel gepflegt.

Die israelfreundliche Linie der SPÖ fand 1967 während des Sechstagekrieges ihren Höhepunkt. Bei Ausbruch des Krieges stand für das Parteiorgan der SPÖ fest: „Wir österreichischen Sozialisten stehen mit unserer ganzen Sympathie auf Seiten Israels und des israelischen Volkes. Wir wünschen diesem Volk, das so viele Leiden durchgemacht hat, dass es auch diese Fährlichkeiten überwindet [...] und bald wieder die Möglichkeit erhält, zum friedlichen Aufbau des Landes zurückzukehren.“ Nach dem unerwarteten Sieg des „kleinen David“ Israel gegen den (arabischen) „Goliath“, schlug die Solidarität mit Israel schließlich in eine wahre Israel-Euphorie um.

Eine derart unbedingte und emotionale Parteinahme für Israel, die erstmals auch mit dem Leid der Juden während des Nationalsozialismus begründet wurde, sollte es in den folgenden Jahrzehnten nicht mehr geben. Denn im Laufe der 1970er-Jahre rückte zunehmend das Palästinenserproblem ins Zentrum des Interesses, und das Eintreten für die politischen Anliegen der Palästinenser ging mit einer verstärkten Kritik an der israelischen Regierungspolitik einher.

Eine wichtige Vorreiterrolle und meinungsbildende Funktion nahm dabei Bundeskanzler Bruno Kreisky ein. Seine prononcierte Nahostpolitik mit dem Versuch, die PLO international salonfähig zu machen, und seine heftigen verbalen Attacken gegen Israel und israelische Politiker (etwa Menachem Begin) wurden nicht nur von der SPÖ, sondern auch vom Großteil der österreichischen Linken akzeptiert, mitgetragen und -wenn nötig - verteidigt.

Lediglich Einzelstimmen traten öffentlich gegen Kreisky auf, so zum Beispiel trat Otto Probst, der Vorsitzende der ÖIG, aus Protest gegen Kreiskys wüste Beschimpfungen Begins 1978 von dieser Funktion zurück.

Kreiskys Position zu Israel war keineswegs eine Einzelmeinung innerhalb der Linken, sondern in seiner Person spiegelten sich geradezu exemplarisch linke Traditionen, Sichtweisen und Analysen des Zionismus und des Nahostkonflikts wider. Die auffallend große Zustimmung zu Kreiskys Haltung gegenüber Israel und Antisemitismus ist aber auch im Kontext der „erinnerungspolitischen“ Funktion Kreiskys im österreichischen kollektiven Gedächtnis zu sehen.

Erwin Lanc, Innenminister unter Kreisky- nach eigenen Angaben kein Antisemit...

Mit der Kritik an Israel konnten die bei vielen Österreichern und Österreicherinnen latent vorhandenen Schuldgefühle und antisemitischen Ressentiments kanalisiert werden, ohne dass sie dabei zwangsläufig unter Antisemitismusverdacht gerieten - dies galt umso mehr, als Kreisky ihnen durch sein politisches Gewicht, aber auch aufgrund seiner jüdischen Herkunft, die Legitimität dazu lieferte und er gegen solche bedenkliche Instrumentalisierungen als „Alibijude“ nicht auftrat.

Tatsächlich zeichnete sich unter dem Einfluss von Bruno Kreisky im Laufe der 1970er-Jahre in der SPÖ eine deutliche Imageverschlechterung Israels ab, die schließlich während der Libanon-Invasion von 1982 ihren Höhepunkt erreichte. Dass dieses überaus negative Israelbild zumindest in Teilen der SPÖ bis heute ungebrochen fortbesteht, haben zum Beispiel wiederholte israelkritische Aussagen des ehemaligen SPÖ-Ministers und späteren Präsidenten der Österreichisch-Arabischen Gesellschaft Karl Blecha anschaulich unter Beweis gestellt.

Karl Blecha, Kreiskys Langzeitinnenminister

bezeichnete Israel gern als "Terrorstaat"- in Österreich

gilt sowas meist nicht als antisemitisch...

Während in der SPÖ immer eine israelfreundliche und israelkritische Linie nebeneinander existierten, kann die Haltung der KPÖ als überwiegend israelkritisch bis israelfeindlich bezeichnet werden. Allerdings wird aus der Retrospektive oft übersehen, dass die KPÖ die einzige linke Kraft in Österreich war, die 1948 explizit für die Staatsgründung Israels eingetreten war.

Die KPÖ orientierte sich damit an der damaligen projüdischen Haltung der Sowjetunion, die die Notwendigkeit eines jüdischen Staates mit dem Verweis auf die nationalsozialistische Judenvernichtung begründet hatte. Dieses „prozionistische Zwischenspiel“ war allerdings nur von kurzer Dauer.

Bereits Anfang der 1950er-Jahre schwenkte die KPÖ vor dem Hintergrund der „antizionistischen“ Kampagnen und Schauprozesse in Osteuropa in ihrer Haltung zu Israel völlig um. Israel wurde nun - wiederum in strikter Anlehnung an die Sowjetunion - zum imperialistischen und zionistischen Feindbild erklärt, und die KPÖ wandte sich verstärkt den „antikolonialistischen“ arabischen Staaten zu.

Während des Sechstagekrieges gab es zwar durchaus noch leidenschaftliche parteiinterne Dispute über die Haltung zum jüdischen Staat, letztendlich setzten sich aber die israelkritischen Positionen für Jahrzehnte durch.

Zum Hauptträger einer radikalen Israelkritik wurden aber die so genannten Neuen Linken, die aus der 68er-Bewegung hervorgegangenen vielfältigen linken Gruppierungen der 1970er-Jahre, die sich zunehmend mit den Palästinensern und deren Kampf um einen palästinensischen Staat solidarisierten.

Der Palästinakonflikt wurde von den Linken in erster Linie in das Imperialismusschema eingeordnet, wobei die Fronten ihrem manichäischen Weltbild entsprechend klar gezogen waren: Auf der einen Seite stand der Imperialismus (die USA und deren „Handlanger“ Israel), auf der anderen Seite der Antiimperialismus (die Palästinenser und die arabischen Massen).

Keine Frage, dass sich die als „antiimperialistisch“ definierende Neue Linke eindeutig auf die Seite des „palästinensischen Volkes“ (wie es immer hieß) stellte.

Diese klare Positionierung war aufgrund der weltpolitischen Ost-West-Konstellation und des linken Selbstverständnisses (Antiamerikanismus, Antiimperialismus, Solidarität mit nationalen Befreiungsbewegungen und politischen „Underdogs“) ideologisch begründet und bis zu einem gewissen Grade auch nachvollziehbar. Nicht die Tatsache der Kritik an Israel erscheint somit erstaunlich, sondern deren Intensität, Pauschalität und Einseitigkeit.

Die logische Kehrseite der Palästinasolidarität war der Antizionismus, der zum integralen Bestandteil der linken Ideologie der 1970er-Jahre wurde. Die Ausdrucksformen des antizionistischen Engagements waren mannigfaltig, wobei die Bandbreite von gemäßigten bis hin zu äußerst radikalen Positionen reichte.

Während gemäßigte Varianten des Antizionismus noch kritisch auf die israelische Besatzungspolitik abzielten, zeichneten sich radikalere antizionistische Positionen vor allem durch ihren Hang zur Pauschalverdammung und zum Verbalradikalismus aus.

Den antizionistischen Linken galt Israel zunehmend als absolutes Feindbild. Schon bald sprach die antizionistische Rhetorik prinzipiell nur mehr von „dem Zionismus“ und „den Zionisten“, die zu „Bluthunden des Imperialismus im Nahen Osten“ erklärt wurden und die es als Hauptschuldige am Nahostkonflikt zu bekämpfen galt.

Schon bald geriet nicht nur die repressive israelische Politik gegenüber den Palästinensern ins Visier der Linken, sondern man stellte den Zionismus von seinen historischen Wurzeln und seinem Wesen her grundsätzlich in Frage. Der Zionismus wurde nunmehr pauschal - ungeachtet seiner auch linken Traditionen -als „reaktionär“, „kolonialistisch“ und schließlich „rassistisch“ angesehen und verurteilt. Als Legitimation dafür fungierte häufig die umstrittene UNO-Resolution Nr. 3379 von 1975, worin der Zionismus als „eine Form des Rassismus“ verurteilt worden war.

In der Folge ihres sich radikalisierenden Antizionismus sah sich die Linke immer häufiger mit dem Vorwurf konfrontiert, durch ihre bedingungslose Solidarisierung mit der „palästinensischen Sache“ die angedrohte Vernichtung Israels mitzutragen oder diese zumindest bewusst in Kauf zu nehmen. Tatsächlich war die Haltung vieler Linker zu den arabischen Vernichtungsdrohungen und oft tödlichen palästinensischen Terroraktionen vielfach unkritisch bis indifferent.

Zwar distanzierte man sich im Allgemeinen von den Aussprüchen des als „reaktionär“ eingestuften PLO-Führers Shukeiry, der die „Juden ins Meer treiben“ wollte. Die Abgrenzungen gegenüber den von ihnen als „progressiv“ angesehenen palästinensischen Gruppen (zum Beispiel PFLP und DPFLP), die eine „Entzionisierung“ oder gar die „Zerstörung Israels“ als das Ziel ihres Kampfes formulierten, waren hingegen nicht immer klar gezogen.

Die Nennung von Israel in Anführungszeichen war und ist eine weitere beliebte Methode, die Umstände der Staatsgründung (wie meist argumentiert wurde), wenn nicht den Staat Israel selbst in Frage zu stellen. Die Beseitigung dieses „künstlichen Gebildes“, wie es in unzähligen Publikationen hieß, wurde als Voraussetzung einer Lösung des Nahostkonfliktes meist implizit mitformuliert. Manche -wie zum Beispiel die Internationale Kommunistische Liga (IKL) - sprachen auch offen aus, was andere nur andeuteten: Der „imperialistische Siedlerstaat Israel [...] muß zerschlagen werden, um Frieden nach Nah-Ost zu bringen!“.

Gerade weil derartige Vernichtungsabsichten nicht unbedingt den realen Vernichtungsfähigkeiten entsprachen, war und ist es für die antizionistische Linke relativ einfach, diese als „Verbalradikalismen“ zu bagatellisieren oder sie schlicht zu ignorieren. Ähnliche Strategien der Ignoranz und Verharmlosung lassen sich auch heute noch beobachten: So gibt es in der Linken kaum klare Verurteilungen von Selbstmordattentaten, vielmehr wird nach Erklärungen und Motiven der palästinensischen und islamistischen Attentäter gesucht und ihnen sogar ein gewisses Verständnis entgegengebracht.

Auch die Vernichtungsdrohungen Syriens und des Iran gegenüber Israel sowie die antisemitischen Tiraden des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad werden oft nicht als Bedrohung Israels ernst genommen. Fallweise finden sich sogar offene Sympathiebekundungen mit der Hisbollah und der Hamas, was sich angesichts deren religiös-fundamentalistischer Ausrichtung für eine aufgeklärte europäische Linke eigentlich verbieten müsste.

Der Höhepunkt des radikalen antizionistischen Engagements war in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre erreicht. In den folgenden Jahren etablierte sich die als Antizionismus deklarierte Israelkritik auch weit über die politisch marginalen, radikallinken Bereiche hinaus. Der allgemeine Meinungsumschwung, an dem Bruno Kreisky maßgeblich beteiligt war, manifestierte sich vor allem 1982 während der weltweit umstrittenen Libanon-Invasion, die zweifellos den Höhepunkt der Israelkritik in Österreich darstellte.

Fritz Edlinger, Ex-Freund Saddam Husseins und Generalsekretär

der österreichisch- arabischen Gesellschaft sieht sich als "Israelkritiker",

nie als Antisemit...

Die überaus heftigen Israel- und Antisemitismusdiskussionen von 1982 verdeutlichten einmal mehr: Die NS-Vergangenheit war nicht vergangen, sondern nach wie vor gegenwärtig. Dies zeigte sich zum einen in Israel selbst, wo man zur Legitimation der eigenen Politik sehr oft auf den Nationalsozialismus Bezug nahm.

Diese „Verlängerung von Geschichte“ zeigte sich aber auch in der BRD und in Österreich, etwa im häufigen Gebrauch von historisch eindeutig besetzten Termini wie „Holocaust“, „Endlösung“, „Konzentrationslager“, die auf das Geschehen im Libanon angewandt wurden.

Auffallend oft verglichen linke Medien die israelische Armee mit der deutschen Wehrmacht, fast zwanghaft wurden Parallelen zwischen dem israelischen Vorgehen und den NS-Verbrechen hergestellt, und nicht selten war die Rede von einer „Endlösung der Palästinenserfrage“. Und ein ORF-Korrespondent befand angesichts der Massaker von Sabra und Schatila lapidar: „Für das, was die Milizen dann unter der Bevölkerung anrichteten, ist der Begriff ,Holocaust‘ durchaus angebracht.“

Mit einer derartigen Rhetorik sollte nicht nur der Kritik an Israel eine entsprechende Dramatik verliehen werden, sondern die Vergleiche gerieten sehr oft zu simplen Gleichsetzungen, die letztendlich der Relativierung der NS-Verbrechen dienten und schließlich zu einer Täter-Opfer-Umkehr führten.

Das dabei vielfach zum Ausdruck gebrachte Entsetzen darüber, dass „gerade die Juden“, die doch selber so viel erlitten hätten, nun ähnlich oder genauso handeln würden wie damals die Nazis, geriet zu einem fixen Topos antiisraelischer Argumentationen.

Besonders deutlich kam eine derartige Denkweise in einem Kommentar in der sozialistischen „Neuen Zeit“ zum Ausdruck: „In Auschwitz haben wir’s gelernt. So scheint die Devise der Israelis bei ihrem Teilabzug aus dem Libanon zu lauten. [...] Was die israelische Armee jetzt selbst tut, steht dem nicht viel nach: So wie einst die SS ,Widerstandsnester‘ stürmte, die Bevölkerung zusammentrieb und wahllos Menschen erschoß, macht es jetzt die israelische Armee. [...]

Es ist sicher gut, daß die Juden aus der Zeit ihrer schwersten Verfolgung gelernt haben, sich nicht mehr willenlos wie die Schafe zur Schlachtbank führen zu lassen. Muß man daraus aber gleich die gegenteilige Konsequenz ableiten und selbst zum Schlächter werden?“

Mit der Libanon-Invasion 1982 war das „Dauerthema“ Israel keineswegs abgeschlossen, sondern die Israeldiskussionen flammten zu bestimmten Anlässen immer wieder auf. So erregte die erste Intifada ab 1987 weltweit großes mediales Aufsehen und führte auch innerhalb der österreichischen Linken zu einer Wiederbelebung ihrer früheren, mittlerweile etwas abgeflauten Palästinasolidarität.

Die Sympathien aller linken Parteien und Gruppierungen (und auch weit über linke Kreise hinaus) galten der aufständischen palästinensischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten. Der Golfkrieg von 1991 war ein weiterer Anlass für Diskussionen, in denen vehemente Befürworter eines Angriffs der USA auf den Irak („Bellizisten“) kategorischen Kriegsgegnern („Pazifisten“) gegenüberstanden. Während die einen ihre Position nicht zuletzt mit der akuten Bedrohung Israels durch irakische Scud-Raketen begründeten, war auf Seite der „Pazifisten“ vor allem (wie so oft bei Israeldebatten) ein tief sitzender Antiamerikanismus ausschlaggebender Impuls.

Der Golfkrieg geriet schließlich zu einem „Krieg der Erinnerungen“ (Dan Diner), in dem die NS-Bezugnahmen allgegenwärtig waren und der in vielerlei Hinsicht den Diskussionen von 1982 und _ über zehn Jahre später _ den Diskussionen um den (drohenden) Irakkrieg ähnelte.

Die zweite Intifada (ab Herbst 2000) hat die mittlerweile tief verankerte Wahrnehmung des Nahostkonflikts mit der wehrlosen palästinensischen Bevölkerung auf der einen Seite und der brutalen militärischen Übermacht der israelischen Armee auf der anderen Seite wieder belebt. Die Verantwortung für den Ausbruch der zweiten Intifada wurde ausschließlich dem schon seit 1982 verhassten „Kriegsverbrecher“ Ariel Sharon zugesprochen, wohingegen die palästinensische Führung unter Jassir Arafat weitgehend verschont blieb.

Die geradezu reflexhafte Bereitschaft und Einseitigkeit, die „Schuld“ jeder Eskalation im Nahen Osten a priori bei Israel zu suchen, hat sich auch im aktuellen Libanonkrieg des Sommers 2006 gezeigt. Der vollzogene Abzug der israelischen Armee aus dem Libanon, die vielen Selbstmordattentate der letzten Jahre, die offenen Vernichtungsdrohungen aus Syrien und dem Iran, die Angriffe der Hamas und der Hisbollah und nicht zuletzt die Entführung von drei israelischen Soldaten als unmittelbarer „Anlassfall“ wurden in der linken „antizionistischen“ Wahrnehmung schlicht und einfach ausgeblendet.

Vielmehr galt Israel einmal mehr als Hauptschuldiger des Konflikts, an den folgerichtig die Appelle nach einem sofortigen Waffenstillstand gerichtet waren. Im Zentrum der Empörung standen vor allem die vielen libanesischen zivilen Opfer israelischer „Kriegsverbrechen“, wohingegen die Taktik der Hisbollah, ihre Angriffe im Schutze und auf Kosten der libanesischen Zivilbevölkerung zu führen, nicht kritisiert oder von besonders eingefleischten Antizionisten sogar als geschickte Guerillataktik bewundert wurde.

Dieser Überblick zeigt, dass die aktuellen Debatten um Israel keineswegs neu sind -vielmehr erlebt man als langjährige Beobachterin ein vielfaches Déjà vu. Tatsächlich zeigen sich aus der historischen Distanz so manche Kontinuitäten im linken Israel-Engagement. So etwa haben sich die antizionistischen Argumentations- und Erklärungsmuster zum Nahostkonflikt ebenso wenig verändert wie die dabei mittransportierten Zuschreibungen und Feindbilder.

Auch wenn es viele der politisch marginalen linken Kleingruppen nicht mehr gibt, so setzen doch Nachfolgegruppen unter neuen Namen und unterschiedlicher Ausrichtung, wie beispielsweise der Antiimperialistische Arbeitskreis (AIK), den radikalen antizionistischen Kurs der 1970er-Jahre mit einer ähnlichen Diktion fort.

Selbst die Akteure sind fallweise gleich geblieben. Manche linke Antizionisten sind noch heute in diesen linken Kleingruppen aktiv, oder aber sie vertreten ihre antiisraelische Haltung aus einer mittlerweile etablierten Position heraus. Fritz Edlinger beispielsweise, der heutige Generalsekretär der Österreichisch-Arabischen Gesellschaft, ist bereits in den frühen 1980er-Jahren durch seine harsche Israelkritik und unter anderem durch einen antisemitisch grundierten Brief an die Israelitische Kultusgemeinde unangenehm aufgefallen.

Der unermüdliche Streiter für die „palästinensische Sache“ befürwortet unter anderem Boykottmaßnahmen gegen Israel und hat 2005 das Buch „Blumen aus Galiläa“ von Israel Shamir herausgegeben, das aufgrund seiner antisemitischen Ausrichtung und der Fragwürdigkeit des Autors (er soll Kontakte zur europäischen Neonaziszene haben) äußerst umstritten war.

Die Distanzierung Edlingers war eine halbherzige, denn kurz darauf stellte er sich in einem Interview im Internetportal „Muslimmarkt“, dessen türkischer Betreiber 2004 wegen „Volksverhetzung“ im Zusammenhang mit einem Palästina-Artikel verurteilt wurde, erneut voll hinter das Buch.

Auch der Verleger des Buches, Hannes Hofbauer, ist bereits seit Jahrzehnten als Antizionist aktiv und wehrt die Kritik an seiner Israelkritik - wie viele andere Linke auch - mit dem Argument der „Keule des Antisemitismusvorwurfes“ kategorisch ab.

Neben diesen Kontinuitäten gibt es aber auch Veränderungen, Modifikationen und oft sogar Brüche im Verhältnis der Linken zu Israel. Eine wesentliche Veränderung ist, dass sich mittlerweile die Israelkritik weit über die engen Grenzen linker Zirkel hinaus in den politischen Mainstream, in die Mitte der Gesellschaft, verlagert hat.

Es handelt sich dabei weniger um einen ideologisch fundierten Antizionismus als vielmehr um eine eher von Gefühlen bestimmte israelkritische Haltung, die sich aus der Solidarität mit den vermeintlich Schwächeren sowie einer weit verbreiteten prinzipiellen Kriegsgegnerschaft speist. Darüber hinaus hat sich eine neue Generation von engagierten Linken herausgebildet, die neue Aktionsformen sowie neue Schwerpunkte und Agitationsfelder, vor allem im Bereich der Globalisierungskritik, für sich gefunden haben.

Neu ist auch, dass es mittlerweile innerhalb der Linken mehr Sensibilität für bedenkliche Formen der Israelkritik und verkappten Antisemitismus und ein Überdenken bisheriger Positionen gibt. Dazu hat nicht zuletzt der Zusammenbruch der Sowjetunion beigetragen, der zu einer Erosion der Linken geführt hat. Traditionelle linke Denk- und Erklärungsmuster und das linke Koordinatensystem sind seitdem verloren gegangen oder mussten zumindest massiv in Frage gestellt werden.

So hat man sich beispielsweise in der KPÖ Ende der 1990er-Jahre im Theorieorgan „Weg und Ziel“ selbstkritisch mit dem Thema Antisemitismus befasst, und auch die österreichische Sektion von „Attac“ hat sich im Frühjahr 2004 im Rahmen einer Tagung über die „blinden Flecken der Globalisierungskritik“ mit einem möglichen Antisemitismus in den eigenen Reihen auseinandergesetzt.

Manche Linke haben überhaupt einen totalen Positionswechsel zu Israel vollzogen. So etwa kam es im Umfeld der deutschen linken Zeitschrift „Konkret“ im Zuge des Golfkrieges von 1991 zu einer expliziten Abkehr vom ehemaligen Antizionismus und zu einer dezidiert pro-israelischen Haltung.

In Österreich ist diese Position durch die kleine linke Gruppierung „Café Critique“ vertreten, die sich vor allem theoretisch mit Antisemitismus befasst, aber auch gemeinsam mit jüdischen und zionistischen Organisationen zu Solidaritätsdemonstrationen für Israel aufruft (wie z.B im Rahmen des Libanonkrieges 2006).

Das über Jahrzehnte anhaltende und emotional aufgeladene Interesse an Israel legt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um „Stellvertreterkriege“ handelt, bei denen es weniger um den realen Nahostkonflikt als vielmehr um eigene Befindlichkeiten und Projektionen geht.

Dies trifft sowohl auf das extrem israelkritische als auch auf das um nichts weniger unbedingte proisraelische Engagement zu, sodass sich die Frage aufdrängt, was die (nichtjüdische) Linke dort im Nahen Osten eigentlich „aufarbeitet“.

Vor dem Hintergrund der Shoah gerät Israel für die deutsche und österreichische Linke offensichtlich zur Austragungs- und Projektionsfläche eigener theoretischer Unzulänglichkeiten und historischer Unsensibilitäten. Israel (oder das, was in ihm gesehen wird) wirkt als Ventil für den Wunsch nach Entlastung und das Bedürfnis der Nachgeborenen, dem familiären und gesellschaftlichen Schuldzusammenhang zu entkommen.

In den letzten Jahrzehnten ist es in der Linken teilweise zu einem Reflexionsprozess über diese Mechanismen gekommen, nicht zuletzt deshalb, weil sie aufgrund ihrer teilweise sehr problematischen Israelkritik schließlich „unter Antisemitismusverdacht“ geraten ist.

Bereits Ende der 1960er-Jahre hatte der klarsichtige Denker Jean Améry der Linken enttäuscht vorgeworfen, dass ihre unter dem Etikett des Antizionismus vorgebrachte Kritik an Israel letztendlich nichts anderes sei als ein „Antisemitismus im neuen Kleid“ und sie somit „ehrbare Antisemiten“ wären, die sich in aller (antifaschistischer) Unschuld engagieren würden.

Henryk M. Broder griff diesen Vorwurf später auf und spitzte ihn 1981 polemisch auf die gegen die deutsche (und österreichische) Linke gemünzte Feststellung zu: „Ihr bleibt die Kinder Eurer Eltern.“

Damit hat der streitbare Journalist die Tradierung antisemitischer Ressentiments von einer Generation auf die nächste angesprochen, die seiner Ansicht nach über den Umweg einer radikalen Israelkritik reaktiviert und kanalisiert wurden.

Viele Jahre später hat eine der solcherart angegriffenen Linken, die linksfeministische Aktivistin Ingrid Strobl, in ihrem Buch „Anna und das Anderle“ ihre problematische Palästinasolidarität selbstkritisch aufgearbeitet. Mittlerweile hat sie ihre anmaßende Selbstgerechtigkeit erkannt, mit der sie in früheren Jahren - wie viele andere Linke auch - den Antisemitismusvorwurf von sich gewiesen hatte: „Ich konnte damals den Vorwurf, ich sei Antisemitin, gar nicht begreifen, wie konnte ich etwas sein, das ich doch ehrlich bekämpfte, als Antifaschistin? [...] Ich fühlte mich im Recht wie sonst selten. Ich sah nur Schwarz und Weiß, nur Gut und Böse [...].“

Mittlerweile ist ihr klar geworden, dass sie sich als Sozialisationsprodukt der antisemitischen österreichischen Nachkriegsgesellschaft begreifen muss und dass die an sie und ihre linken Mitkämpfer gerichteten Vorwürfe nicht gänzlich aus der Luft gegriffen waren.

Denn: Als „Landsfrau von Hitler und Kaltenbrunner“, wie sie schreibt, habe sie damals, zwar nicht mit Absicht, aber de facto, eine Politik unterstützt, die Israel hätte vernichten können, und in dieser Gedankenlosigkeit über die möglichen Konsequenzen der von der Linken vertretenen Positionen sieht sie heute ihr eigentliches Versagen, ihre wahre „Schuld“.

Diese späte Einsicht führt sie schließlich zu ihrer bohrenden Ausgangsfrage zurück, die gleichzeitig auch die zentrale Frage der antizionistischen Linken sein müsste: „Wie konnten wir hier gegen den Antisemitismus zu Felde ziehen und zugleich den Feldzug gegen Israel unterstützen? Wie konnten wir Antifaschisten sein, ohne an der Shoah zu verzweifeln?.

Es bedarf nicht unbedingt einer „Verzweiflung“ an der Shoah, aber ein Mindestmaß an Bewusstsein und Selbstreflexion darüber, aus welchem historischem Kontext heraus man in Österreich - auch als Linke/r und als Nachgeborene/r - über Israel und „die Juden“ spricht, würde die Glaubwürdigkeit so mancher, teilweise durchaus berechtigter Kritik an Israel zweifellos erhöhen.

Anmerkungen

1 Die folgenden Ausführungen basieren auf: Margit Reiter: Unter Antisemitismus-Verdacht. Die österreichische Linke und Israel nach der Shoah. Innsbruck/Wien/München 2001.

2 AZ, 6. Juni 1967.

3 Helga Embacher/Margit Reiter: Gratwanderungen. Die Beziehungen zwischen Österreich und Israel im Schatten der Vergangenheit. Wien 1998, 122 ff.

4 profil, 23/2001, S. 36 ff.

5 Flugblatt der MLS, Neue Verbrechen der Zionisten (undatiert). Im Privatbesitz der Autorin.

6 Vgl. permanente revolution, Zentralorgan der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL) (undatiert). Im Privatbesitz der Autorin.

7 Volksstimme, 21. September 1982.

8 Neue Zeit, 14. März 1985.

9 Brief abgedruckt in: Reiter (wie Anm. 1), S. 302.

10 Jüdische Allgemeine, 1. September 2005.

11 www.muslimmarkt.de/interview/2005/edlinger.htm, 18. September 2005.

12 Jean Améry: Der ehrbare Antisemitismus. In: Ders.: Widersprüche. München 1990, S. 214-220.

13 Henryk M. Broder: Ihr bleibt die Kinder Eurer Eltern. In: Die Zeit, 27. Februar 1981.

14 Ingrid Strobl: Anna und das Anderle. Eine Recherche. Frankfurt/M. 1995.

15 Ebd., S. 64.

16 Ebd., S. 66.

 

 

Autorin:

*Margit Reiter

Jahrgang 1963, habilitierte Zeithistorikerin in Wien, derzeit Berlin. Forschungsschwerpunkte: Beziehungen Österreich–Israel, Exil in Shanghai, Antisemitismus–Antizionismus, NS-Zwangsarbeit, NS-Nachgeschichte, Gedächtnispolitik. Habilitiert mit einer Arbeit über „Generation und Gedächtnis. Verarbeitung und Tradierung des Nationalsozialismus bei den ,Kindern der Täter‘“. Derzeit: Forschungsprojekt „(Neuer) Antisemitismus – Antiamerikanismus. Wahrnehmungen von Israel und den USA in Deutschland, Frankreich und Großbritannien von der 2. Intifada bis zur Gegenwart“. Publikationen: u.a. „Die Generation danach. Der Nationalsozialismus im Familiengedächtnis“ (Studienverlag 2006).