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Die Opfer des „ersten Opfers“
Von Karl Pfeifer
Der Justizpalst in Wien- eine Seitenansicht...
Im Jahre 1995 publizierte ich in Wien eine kurze Rezension unter dem Titel "Freiheitliches Jahrbuch 1995 mit (Neo)Nazi-Tönen", in der ich Dr. Werner Pfeifenberger, einem in Münster (NRW) Politikwissenschaften lehrenden Österreicher vorwarf, die "alte Nazi-Mär von der jüdischen Weltverschwörung langatmig aufzuwärmen".
Pfeifenberger der u.a. in seinem Artikel von einer jüdischen Kriegsbedrohung Deutschlands 1933 geschrieben hatte, verklagte mich. 1997 wurde ich erstinstanzlich freigesprochen und 1998 wurde dieses Urteil vom Oberlandesgericht (OLG) Wien bestätigt.
1995 fand die Staatsanwaltschaft am Artikel Pfeifenbergers nichts zu beanstanden, erst im Februar 2000 erhob sie Anklage (NS-Verbotsgesetz) Er hätte sich im Juni vor einem Gericht verantworten müssen, doch Dr. Pfeifenberger beging im Mai 2000 Selbstmord.
Anlass für eine "christlich-konservative Persönlichkeit" einen Artikel in "Zur Zeit" (2.6.00) zu publizieren, in dem der "jüdische Journalist Karl Pfeifer" beschuldigt wurde, 1995 eine Rezension geschrieben zu haben, die dann dazu führte, dass der eher aus "katholischem Umfeld" kommende Pfeifenberger fünf Jahre später Selbstmord verübte: "Damit hatte Karl Pfeifer eine Menschenhatz eröffnet, die in der Folge bis zum Tod des Gehetzten gehen sollte." Ich klagte deswegen und gewann in der ersten Instanz.
Die beklagte Partei legte mit Erfolg Widerspruch ein. Am 15. Oktober 2001 verkündete Senatsvorsitzende am OLG Dr. Doris Trieb, der besagte Artikel sei zulässig, denn er lässt "bloß auf die Zuweisung einer moralischen Verantwortlichkeit schließen."
Für das, was Pfeifenberger geschah, war es laut Urteil zulässig, nicht ihn sondern mich verantwortlich zu machen, denn - so die Logik des Gerichts - hätte der "jüdische Journalist" seinen Artikel nicht veröffentlicht, dann wäre alles in Ordnung.
Ganz anders urteilte Doris Trieb in einem Prozess, den Jörg Haider gegen "Falter" anstrengte. Diese Wiener Wochenzeitung hatte einen Bericht über einen Prozess den Haider gegen "News" führte, veröffentlicht. In diesem Bericht wurde auch eine Karikatur aus "News" übernommen, in der Jörg Haiders Kopf mit kleinen Hörnern abgebildet wurde. Doris Trieb schützte Haiders guten Ruf und begründete, eine "Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit erscheint bei massiv ehrenrührigen Angriffen unabdingbar geboten".
Kleine Hörner aufzusetzen, ist massiv ehrenrührig. Einem seit sieben Jahren pensionierten "jüdischen Journalisten" aber "eine moralische Verantwortlichkeit" für den Tod eines Menschen zu unterstellen, das war laut Dr. Doris Trieb statthaft.
Als dann Andreas Mölzer seine Beschuldigungen gegen mich in einem Schnorrbrief an seine Abonnenten noch verschärfte und ich ihn deswegen klagte, urteilte Dr. Werner Röggla, der meine Aussagen noch 1997 als „wahr“ qualifizierte, fünf Jahre später als eine schwarzbraune (Anm. der Red: sic!) Koalition Österreich regierte, ganz anders. Der inzwischen zum Richter im Oberlandesgericht avancierte Dr. Röggla: Karl Pfeifer hat "Prof. Pfeifenberger zunächst vorgeworfen, sein Artikel im "Freiheitlichen Jahrbuch" würde "Nazitöne" enthalten und er betreibe "die Verherrlichung der Volksgemeinschaft", was der Vorwurf nach § 3 VG ist. Dementsprechend scharf darf auch die Kritik an diesem Vorwurf (und deren Folgen) sein."
Wer also, auf von Dr. Röggla noch 1997 für "wahr" befundene Nazi-Töne und Nazidiktion aufmerksam macht, der darf 2001 "dementsprechend scharf" kritisiert werden und man kann ihn auch beschuldigen, mit einer 1995 veröffentlichten Rezension den 2000 erfolgten Selbstmord eines Menschen verursacht zu haben.
Es dauerte dann vier Jahre bis das Europäische Menschenrechtsgericht in der Sache Pfeifer v. Austria entschied, dass mir die Republik Österreich Unrecht getan hatte. [1]
Die Republik Österreich, die zu den am häufigsten verurteilten Staaten Europas an diesem Gericht gehört, glaubt noch immer, in ihren Gerichten sich gelegentlich als erstes „Opfer“ gerieren zu müssen, obwohl österreichische Historiker diese verlogene Gründungslegende gründlich widerlegt haben.
Als ich mehr als ein Jahrzehnt später am 6. Juni 2014 als Zuhörer in der Sache Republik Österreich v. Stephan Templ in einem kleinen Saal des Wiener Oberlandesgerichtes saß, konnte mich nichts mehr überraschen, denn ich hatte ja mit dieser Justiz schon zu tun gehabt.
Die Historiker Stephan Templ und Tina Walzer haben 2001 in einem rund 300 Seiten starken, im Berliner Aufbau-Verlag publizierten Buch: „Unser Wien – „Arisierung“ auf österreichisch“ einen Überblick über den euphemistisch als „Arisierung“ genannten österreichischen Raubzug 1938 und 1945 gegeben. Kernstück des Buchs ist neben einer prägnanten Darstellung des historischen Hintergrundes von Tina Walzer der von Stephan Templ erarbeitete Katalogteil, der unzählige Apotheken, Verlagshäuser, Kinos, Kaffeehäuser etc. in Wien auflistet, die „arisiert“ wurden. Darüber hinaus zeigt das Buch die damals bestehenden Versäumnisse in der Aufarbeitung auf.
Die Autoren haben damit natürlich einen wunden Punkt berührt, nämlich die Tatsache, dass sich die Republik Österreich jahrzehntelang wie ein Hehler verhalten hat, der unwillig ist, das gestohlene Gut seinen rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben, bzw. der im Fall einer Rückgabe, beraubte Opfer erpresst, doch noch einen Teil dieses Besitzes der Republik zu überlassen.
Im konkreten Fall geht es um das ehemalige Sanatorium des jüdischen Wiener Arztes Lothar Fürth, der nachdem seine Frau nach dem Anschluss gezwungen wurde, die vaterländischen Parolen mit einer Zahnbürste und Lauge wegzuputzen, mit seiner Frau Selbstmord beging. Das Ehepaar hatte keine Kinder.
60 Jahre nach Kriegsende entschied die Schiedsinstanz für Restitution, ein aus drei Juristen bestehendes Gremium, dass die Liegenschaft an die rechtmäßigen Erben zurückzugeben sei, da die im Jahr 1965 bezahlte Abfindung von 700.000 Schilling „extrem ungerecht sei“.
Templ, ein Nachkomme von Fürth erkundigte sich im Bezirksgericht Riemergasse nach dem Testament seines Vorfahren und bekommt zur Antwort „Nichts da!“ Ein anderer jedoch bekam das Dokument ausgehändigt, der Genealoge Herbert Gruber, ein professioneller Ahnenforscher, der Erben von vermeintlich herrenlosen Vermögen sucht.
Die äußert komplizierte Geschichte schilderte Matthias Dusini Anfang 2014. [2]
Stephan Templ hat das Antragsformular zur Restituierung der seinen Vorfahren geraubten Liegenschaft nicht richtig ausgefüllt. Er versäumte auf Seite 23 darauf hinzuweisen, dass seine Mutter eine Schwester hat und er hat in einem Stammbaum, mit dem er das Verhältnis seiner Mutter zu Lothar Fürth nachwies, nicht auch deren Schwester genannt.
So unglaublich das klingt, ein Wiener Schöffengericht unter dem Vorsitz von Sonia Weis verurteilte Templ im April 2013 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen schweren Betrugs.
Das Perverse, die Republik, die immer wieder in der Vergangenheit nationalsozialistische Täter beschützt hatte, geriert sich wieder einmal als Opfer. Durch die unkorrekten Angaben Templs sei dem Bund ein Vermögensanteil an der Liegenschaft entzogen worden. Denn der Anteil der Schwester von Templs Mutter wäre dem Staat Österreich verblieben, da diese nicht rechtzeitig einen Antrag auf Restitution gestellt habe.
Die Schwester wusste damals nichts von ihrem Anspruch. In der Befragung im Strafverfahren gegen Templ sagte sie aus, dass sie selbstverständlich einen Antrag umgehend und rechtzeitig gestellt hätte, wenn sie davon gewusst hätte.
Die Neue Zürcher Zeitung schrieb am 28. März 2014: „Templs Mutter hat den ihr zurückerstatteten Anteil an der Liegenschaft von einem Zwölftel inzwischen für 1,1 Millionen Euro veräussert. Der Staat Österreich, der durch das Unrecht der Nazizeit in den Besitz der Liegenschaft gelangt war und während Jahren diese genutzt hat, sieht sich nun als «Opfer». Einen Schaden von 550 000 Euro hat dabei wohl aber doch viel eher die Tante erlitten, die wegen Unkenntnis und nicht zuletzt auch Untätigkeit des Staates nicht rechtzeitig ihren Antrag stellte. Der österreichische Staat wäre vom Missgeschick der Tante somit vor allem Profiteur.
Anträge als Zeichen der Gier
Weiter schüttelt man den Kopf, wenn im Urteil Templ quasi Geldgier vorgehalten wird, weil er weitere Anträge auf Naturalrestitution im Zusammenhang mit derselben Liegenschaft gestellt hatte, die aber alle abgelehnt wurden. Dies zeugt von wenig Verständnis des heutigen Rechtsstaats für die oft verworrenen Rechtslagen, mit denen Nachkommen von Opfern des nationalsozialistischen Unrechtsstaates nach über 70 Jahren konfrontiert sind.“
Der Oberste Gerichtshof hat das Urteil des Schöffengerichts bestätigt und so wurde vom Oberlandesgericht Wien in Anbetracht der Tatsache, dass Stephan Templ unbescholten ist und keine Gefahr besteht, dass er dieses „Verbrechen“ wieder begehen könnte, die Strafe in zwei Jahre bedingten .und ein Jahr unbedingten Freiheitsentzug umgewandelt.
Nach der Verkündung kam aus dem Publikum, der Ruf „Nazistaat“. Österreich ist heute sicher kein Nazistaat, aber ein Staat, der noch 2014 alles daran setzt, gestohlenes Eigentum zu behalten und jahrzehntelang alles in seiner Macht stehende getan hat, um dieses Eigentum nicht freiwillig herauszugeben. Wer das kritisiert, sollte achten, der Justiz keinen Vorwand zu liefern, wieder einmal ein ungerechtes, dem elementaren Rechtsempfinden entgegengesetztes Urteil zu fällen.
1) CASE OF PFEIFER v. AUSTRIA (Application no. 12556/03) JUDGMENT STRASBOURG 15 November 2007 FINAL 15/02/2008
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-83294#{%22itemid%22:[%22001-83294%22]}
2)
http://www.falter.at/falter/2014/01/21/ein-schwieriger-erbe/
Anmeldung der Redaktion:
Wie Kollege Karl Pfeifer feststellte ist der "Fall Templ" äußerst vielschichtig.
Hier die direkten Links zu den Urteilen: eine (anonymisierte) Ausfertigung des am 25. April 2013 vom Landesgericht für Strafsachen Wien ergangenen Urteils GZ 51 Hv 2/13f-22 vom 25. April 2013, sowie die im RIS frei abrufbare Entscheidung des Obersten Gerichtshofs GZ 15 Os 133/13t vom 22. Jan. 2014 (siehe die erläuternde Presseaussendung des OGH auf www.ogh.gv.at/de/entscheidungen/weitere/betrug-in-einem-restitutionsfall ).
Die Entscheidungen der Schiedsinstanz für Naturalrestitution zu den Anträgen auf Naturalrestitution der Liegenschaft Schmidgasse 14 können (anonymisiert) in deren Datenbank http://de.nationalfonds.org/sites/dynamic36b2.html?action=db abgerufen werden.
Dort finden Sie die chronologische Darstellung des Falles in Entscheidung Nr. 27d/2012 vom 26. Jan.2012 (Antrag von Dr. Elisabeth K.) http://de.nationalfonds.org/docs/Schiedsinstanz/entscheidung_27d_2012.pdf
Nachstehend auch die Links zu den darin genannten früheren Entscheidungen
· Nr. WA6/2009 zu 27c/2008 vom 20. Mai 2009 (Antrag auf Wiederaufnahme und Bestreitung der erbrechtlichen Legitimation von 9 Antragstellern) http://de.nationalfonds.org/docs/Schiedsinstanz/entscheidung_wa6_2009.pdf
· Nr. 27c/2008 zu 27/2005 vom 23. Juni 2008 (zu diversen Antragsberechtigungen) https://de.nationalfonds.org/docs/Schiedsinstanz/entscheidung_27c_2008.pdf
· Nr. 371/2007 vom 26. Juni 2007 (zu Straßenteil) http://de.nationalfonds.org/docs/Schiedsinstanz/entscheidung_371_2007.pdf
· Nr. 27b/2007 zu 27/2005 und 27a/2006 vom 26. Feb. 2007 (Dr. Helene T., Ablehnung) http://de.nationalfonds.org/docs/Schiedsinstanz/entscheidung_27b_2007.pdf
· Nr. 27a/2006 zu 27/2005 vom 23. Jänner 2006 (Antragsberechtigung von Dr. Helene T. besteht zu Recht) http://de.nationalfonds.org/docs/Schiedsinstanz/entscheidung_27a_2006.pdf
· Nr. 27/2005 vom 15. Nov. 2005 (erste Entscheidung mit Empfehlung zur Restitution) http://de.nationalfonds.org/docs/Schiedsinstanz/entscheidung_27_2005.pdf
Siehe auch New York Times , 19. April 2014: Legal Twist in Bid to Reclaim Nazi-Looted Hospital http://www.nytimes.com/2014/04/20/world/europe/legal-twist-in-bid-to-reclaim-nazi-looted-hospital.html?_r=0